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Andrea Merki
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16. Februar 2021 | HFT Luzern

«Es ist nicht die Zeit für blinden Aktionismus»

Stefan Ryser, Geschäftsführer bei «Erlebnisregion Mythen», kümmert sich um das Management der Destination und unterrichtet an der HFT. Er hat eine klare Vorstellung davon, wie Destinationen möglichst gut durch die Krise kommen.

Stefan Ryser, aus deiner Sicht als Geschäftsführer bei «Erlebnisregion Mythen», was ist der grösste Fehler, den Destinationen im Moment machen können?

Das hat man während des ersten Lockdowns sehr deutlich gesehen: Alle buhlten um die wenigen Kunden, die es noch hatte. Als Destinationsmanagementorganisation (DMO) ist man den Leistungsträgern – also all denen, die eine touristische Leistung erbringen, welche die Gäste konsumieren können, vom Taxifahrer bis zu Pizzabäckerin – verpflichtet. Es wird erwartet, dass man mit klugen Marketingmassnahmen Gäste anlockt und das Angebot in der Destination koordiniert. Viele Destinationen haben im ersten Lockdown schnelle, eigenständige Aktionen lanciert. Klüger und effizienter wäre es gewesen, man hätte stärker zusammengearbeitet. Das gelingt uns dieses Mal schon besser. Die DMO haben die Lehren gezogen, man hat Erfahrung im Umgang mit der COVID-Krise gesammelt. Der Aktionismus ist nicht mehr so ausgeprägt und man versucht wieder vermehrt, das Angebot auf den Gast und weniger auf die internen Begehrlichkeiten auszurichten.

 

Viele haben wohl einfach das Bedürfnis, irgendetwas zu tun.

Klar – vor allem die, die ums nackte Überleben kämpfen, z.B. die Hoteliers oder die Gastronomen. Als DMO ist man ebenfalls abhängig von den Gästeeinnahmen, sei dies bei der Vermittlung und dem Verkauf von Tickets und Übernachtungsleistungen oder bei den Erträgen aus der Kurtaxe. Sinken die Logiernächte in einer Destination, sinkt auch der Ertrag bei einer DMO und sie kann nicht mehr antizyklisch reagieren, wie das in einer Krise wertvoll wäre. Daher haben viele Kantone sogenannte Impulsprogramme gestartet, um die Leistungsträger und DMO zu unterstützen.  Die DMO standen selber unter Druck, das eigene Überleben zu sichern. Als DMO hat man aber auch den Auftrag des «Kümmerers», das heisst, man muss die Leistungsträger unterstützen und sie möglichst schadlos durch die Krise begleiten. Denn sollten Leistungsträger die Krise nicht überstehen, gehen Hotels oder Gastrobetrieb zu, verliert die Destination an Attraktivität, was die Krise weiter verschärfen könnte.

Im ersten Lockdown hörte man von unglaublichen Preiskämpfen unter den Hotels. Gibt es diese im Moment auch?

Ich glaube, nicht mehr so stark. Viele wollten einfach mit allen Mitteln auf sich aufmerksam machen, wenigstens ein bisschen PR generieren, auch wenn die Rechnung, wenn man sie ehrlich macht, nicht aufgehen wird. Ich denke, dass es gerade in einer Krise wichtig ist, seine Kernkompetenzen und definierten Zielgruppen nicht aus den Augen zu verlieren.

 

Kannst Du dazu ein konkretes Beispiel machen?

Wenn ein Hotel seit Jahrzehnten auf Familien spezialisiert ist, sollte diese Kernkompetenz auch während der Krise nicht vergessen gehen. Man sollte nicht plötzlich in schierer Panik irgendetwas anderes ausprobieren und zum Beispiel Business-Gäste mit einem Home-Office-Zimmer für 50 Franken ansprechen. Das ist auch in der Krise keine nachhaltige Strategie und wird langfristig nicht aufgehen.

 

Wie würde man es denn besser machen?

Ich weiss von einem Hotelbesitzer, der die Kosten aufs absolute Minimum heruntergefahren hat. Das Team ist mehrheitlich in Kurzarbeit, er selber macht alles, was es noch zu tun gibt, von der Reception bis zum Frühstücksservice. Er versucht auf diese Weise, die Krise möglichst schadlos zu überstehen.

Eigentlich, sagst Du, wären jetzt Visionen gefragt.

Richtig – eine Krise ist ja auch immer eine Chance. Da muss man aber Realist sein. Vom erwähnten Hotelier, der ums nackte Überleben kämpft, verlangt das im Moment sicher niemand. Der ist mit der Krisenbewältigung ausgelastet und hat für neue Visionen und Strategien keine Kapazitäten. Visionen sollten jetzt eher auf einer übergeordneten Ebene entwickelt werden, also bei der DMO.

 

Welche Art von Visionen stellst Du Dir vor?

Ich denke da zum Beispiel an die Chance der Digitalisierung. Es ist wenig sinnvoll, wenn jede und jeder vor sich hinarbeitet. Viel effizienter ist es, wenn man so ein Projekt als Destination vorantreiben und alle einbeziehen kann, vom Hotel bis zum Ferienhäusli-Besitzer.

 

Ziehen da alle mit?

Bis zu einem gewissen Punkt. Einen gemeinsamen digitalen Marktplatz wollen die meisten. Bloss wollen dann viele noch eine zusätzliche Funktion oder Schnittstelle zu einem anderen Programm. Da muss man als DMO gut aufpassen: Individualität ist sinnvoll, aber ein Flickwerk aus lauter Individuallösungen wird schnell teuer und ist aufwendig im Unterhalt.  

Wie löst man dieses Problem?

Grundbedürfnisse bei den Partnern abholen, dann aber mittels eines Top-down-Ansatz das Projekt vorantreiben. Es hilft zusätzlich, wenn z.B. der Kanton Fördermittel bereitstellen kann, um die Digitalisierung zu fördern. Gemäss Theorie sollte die Politik möglichst wenig Einfluss auf den Destinationstourismus ausüben, aber ohne Politik und entsprechende Fördermittel geht es dann meist doch nicht.

 

Das klingt ziemlich unromantisch.

Als DMO-Manager bewege ich mich permanent in einem Spannungsfeld: Ich muss den Leistungsträgern und deren Ansprüchen gerecht werden, ich muss aber auch darauf achten, was die einzelnen Gemeinden wollen, was der Kanton möchte. Ich muss die Begehrlichkeiten aller im Auge behalten – und darf dabei auf gar keinen Fall die Bedürfnisse, Ansprüche und Wünsche des Gasts aus den Augen verlieren.

 

Und ganz nebenbei sollte sich der DMO-Manager ja eben auch noch um die Zukunft kümmern.

Genau – zumindest bei einer Destination wie unserer, wo wir eine Leader-Funktion übernehmen. Bei anderen Destinationen wie z.B. Davos übernehmen die Bergbahnen eine sehr starke Rolle. Wichtig ist, dass alle miteinander reden, dass man sich austauscht, niemanden abhängt. Und wenn einer gar nicht mittun möchte, dann muss man ihn halt machen lassen. Man kann nicht beliebig Zeit aufwenden, da muss man auch Aufwand und Ertrag sehen. Zukunftsgerichtet arbeitet man mit Leuten, die am gleichen Strick ziehen und so der Destination auch langfristig einen Mehrwert bringen.

 

Wenn man über Zukunft nachdenkt, denkt man auch über Innovationen nach. In letzter Zeit haben die Klimadebatte und Corona die Innovationen angetrieben. Was war es davor?

Innovationen müssen nicht immer die ganz grossen Würfe, die radikalen Umbrüche sein. Eine Innovation ist es auch, wenn ich den vorhin erwähnten Ferienhäusli-Besitzer davon überzeugen kann, dass er sich einer Plattform anschliesst, damit er sein Haus in Zukunft auch online vermieten kann. Unterm Strich steht immer der Mehrwert für die Destination. Auch etwas Kleines kann einen Mehrwert bringen. Daran müssen wir auch dann noch denken, wenn die aktuelle Krise hoffentlich einmal vorbei ist.

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